top of page

KANADA

Flug nach Kanada und die ersten Tage in Nova Scotia
13. Mai bis 17. Mai 2024

 

Heute ist es endlich soweit. Um 12.50 Uhr soll unser Flieger von Zürich nach Frankfurt abheben. Wir müssen daher nicht zu ungewohnt früher Stunde aufstehen, sondern können den Tag wie üblich beginnen. Die Reisetaschen stehen schon bereit, Kühlschrank und Tiefkühler sind leer und abgestellt. Nachbarn, Freunde und Verwandte verabschiedet und der Kehricht im Container deponiert. Noch ein letzter Kontrollgang durch das ganze Haus, dann marschieren wir los zur Haltestelle und fahren mit dem Bus zum Bahnhof Othmarsingen. Pünktlich fährt der Zug nach Zürich ein. Dort steigen wir um und erreichen nach etwa 50 Minuten den Flughafen.

Die Gepäckabgabe am Schalter der Swiss ist schnell erledigt. Nach einer Stärkung mit Kaffee und Gipfeli geht es durch die Sicherheitskontrolle in den Abflugbereich. Wie immer gibt mein künstliches Hüftgelenk im Metalldetektor an, die Leibesvisitation ist heute aber so gründlich wie noch nie zuvor.

Wir haben noch genügend Zeit bis das Gate öffnet und so treffen wir meinen Bruder Daniel, der am Flughafen arbeitet, in einem der Restaurants zu einem alkoholfreien Drink.

Dann ist es endlich soweit, dass wir das Flugzeug besteigen können und mit 45 Minuten Verspätung starten. Wir kommen mit unserem Sitznachbarn ins Gespräch. Er fliegt mit seiner Frau ebenfalls nach Halifax. Sie haben ihre Motorräder verschifft und wollen in einem Jahr von Kanada bis nach Feuerland fahren.

Nach einer knappen Stunde landen wir bereits in Frankfurt. Schier endlos scheint der Weg im riesigen Flughafen bis zum Abflugbereich C, wo unser Airbus A330 der Eurowings Discover Airlines bereitsteht. Vorher müssen wir aber nochmals durch die Sicherheitskontrolle. Hier werden wir durchleuchtet, so dass das Abtasten wegen der Hüftprothese entfällt. Durch den verspäteten Abflug in Zürich entfällt eine lange Wartezeit in Frankfurt und so machen wir es uns schon bald im Flugzeug gemütlich. Der Flug über England, Irland und den Nordatlantik dauert nur knapp 7 Stunden. Diese vertreiben wir uns mit Filmen. Dazwischen wird das Mittagessen und ein Snack verteilt und schon befinden wir uns im Landeanflug auf den Flugplatz von Halifax.

Die Grenzkontrolle verläuft problemlos. Mit der App “Arrive Canada” haben wir vorgängig schon alle Sicherheitsfragen für die Einreise beantwortet und können an einer langen Warteschlange vorbei, direkt zu den Automaten, wo der Pass noch gescannt werden muss. Dann geht es zum Grenzbeamten, wo wir nochmals einige Fragen zur Dauer und dem Zweck unseres Aufenthaltes in Kanada beantworten müssen. Dann können wir zur Gepäckausgabe und ohne weitere Kontrolle einreisen. Die Mitnahme meines Medikamentenvorrates für zwei Jahre ist somit kein Problem.

Der Flughafen Halifax ist angenehm klein und übersichtlich, eher provinziell. Beim Ausgang fragen wir einen Angestellten nach dem Bus 320 ins Zentrum. Der nette, ältere Herr begleitet uns freundlich ein Stück zur Haltestelle, wo der nächste Bus auch schon wartet. Mit der App «HFX-GO-Halifax» haben wir noch etwas Mühe und zahlen deshalb die Tickets von CAD 9.50 bar. Der Fahrer kann kein Rückgeld geben, mit 50 Cent hält sich unser Verlust aber in Grenzen.

Nach einer halben Stunde sind wir an der Endstation, wo sich auch unsere Unterkunft, das Barrington Hotel, befindet. Am Empfang liegt unsere Reservation bereit und so können wir unser Zimmer rasch beziehen. Es ist jetzt etwa 19 Uhr und so bleibt noch genügend Zeit für eine erste Erkundungstour zum Hafen, wo wir uns in einem der vielen Restaurants verpflegen.

Nach einem kräftigen Frühstück, wir haben das Breakfast Weekday Package gebucht, mit Hashbrowns, Eiern, Speck und Toast starten wir zur Stadtbesichtigung. Vom Hotel geht es in nur wenigen hundert Metern hinauf zur Zitadelle. Dabei kommen wir an der Old Town Clock vorbei. Bei dem Uhrturm, einem der Wahrzeichen von Halifax, handelt es sich um ein Geschenk von Edward, Herzog von Kent, der Ende des 18. Jahrhunderts als Oberkommandierender die britischen Truppen befehligte.

In der Halifax Citadel kaufen wir uns, statt eines Tagestickets, gleich den Discovery Pass. Damit können wir während einem Jahr über 80 durch «Parks Canada» verwaltete Nationalparks und Sehenswürdigkeiten besuchen. Mit dem Bau der Zitadelle, die auf einem Hügel über der Stadt liegt, wurde bereits 1749, gleich nach der Gründung der Siedlung begonnen. Die Festung diente dem Schutz des langgestreckten Hafens. In der Anlage geht es zu wie in einer Kaserne. In historischen Uniformen eines Schottischen Regimentes exerzieren angestellte Statisten und üben Kanoniere die Handhabung der Kanonen. Jeden Tag um Punkt 12 Uhr wird ein Geschütz abgefeuert. Bei der Vorführung erfahren wir, wie wichtig für die Seefahrer die genaue Zeit war. Denn bei der Bestimmung des Breitengrades exakt am Mittag, dem höchsten Sonnenstand, bedeutete eine Minute Differenz eine Abweichung von 14 Kilometern.

Wir verbringen mehrere Stunden mit Führungen, Waffendemonstrationen und Besichtigung der Museen in der Festung bevor wir zu den Public Gardens, einer wunderschönen Parkanlage am Fuss des Festungshügels, spazieren. Hier geniessen wir den wolkenlosen Himmel und das warme Wetter auf einer Parkbank. Die zahlreichen Blumenrabatten mit Tulpen und Narzissen sind in voller Blüte. Auch die Magnolien und Rhododendren zeigen sich in allen Farben. Während in der Schweiz bereits der Frühsommer Einzug gehalten hat, sind wir hier in Halifax noch mitten im Frühling.

Nach einer stärkenden Eiscreme geht es weiter zur Einkaufsstrasse «Spring Garden Road». Hier finde ich auch einen Optiker, wo ich die Sonnengläser, die im Fluggepäck in die Brüche gegangen sind, ersetzen kann. Vorbei an einem alten Friedhof, der von 1749 bis 1843 genutzt wurde, marschieren wir bis zum Point Pleasant Park. In dem weitläufigen Waldgebiet, das von zahlreichen Wanderwegen durchzogen ist, verbringen zahlreiche Spaziergänger, Biker, Jogger und Hündeler die Zeit und geniessen den Ausblick auf die Meeresbucht. Auch hier stehen noch einige Ruinen alter Kanonenstellungen, welche dem Schutz der Hafeneinfahrt dienten.

Nach über 10 Kilometern Fussmarsch und vielen tollen Eindrücken kehren wir zurück zum Hotel und ruhen uns erst einmal aus. Schon bald geht es aber wieder los zum Hafen denn es ist schon wieder Zeit für das Nachtessen. Die Promenade entlang der Bucht ist grösstenteils neugestaltet und neben den historischen Holzgebäuden wurden etliche Glaspaläste errichtet, welche die Skyline dominieren. Zahlreiche Imbissbuden und Restaurants in allen Preisklassen lassen für den grossen und kleinen Hunger keine Wünsche offen. Ich entscheide mich für Hummer-Poutine. Dabei handelt es sich um Hummerfleisch das auf einer Schüssel Pommes Frites verteilt und mit einer Hummer-Käsesauce angerichtet wird. Für Elsbeth gibt es eine Seafood Chowder, eine cremige Fischsuppe.

Am Mittwoch haben wir den Termin mit dem Spediteur. Zeit und Ort wurde uns von der Mitarbeiterin bereits am Montag per E-Mail bekannt gegeben. Idealerweise treffen wir uns nicht im Hauptbüro der Gesellschaft, sondern in einem Workspace, nur wenige hundert Meter vom Zoll entfernt. Mit dem Taxi erreichen den Treffpunkt in etwa 20 Minuten. Der Fahrpreis von CAD 32, inklusive Steuern und Trinkgeld, liegt deutlich unter unseren Erwartungen. Um 09.20 Uhr werden wir von Anne empfangen. Wir bezahlen die Gebühr von CAD 150 und erhalten dann die Frachtpapiere. Auf dem Pult liegt noch ein ganzer Stapel von Dossiers, die von der jungen Mitarbeiterin heute noch erledigt werden müssen und so folgen die Termine mit den Fahrzeughaltern in 10 Minutentakt.

In wenigen Minuten erreichen wir zu Fuss das Zollgebäude und stellen uns in die Warteschlange. Auch hier müssen wir dann nochmals etliche Fragen betreffend Fahrzeuginhalt, Reisedauer und Reisepläne beantworten, dann bekommen wir den Stempel auf die Frachtpapiere.

Wir wollen unser Brummsli noch nicht heute abholen, da wir das Hotel noch eine weitere Nacht reserviert haben. Wir nehmen deshalb den Bus und fahren zum Hotel zurück. Der Routenplaner von Google Maps führt uns zwar zuerst zur falschen Buslinie, wir finden dann aber, mit umsteigen, doch noch den richtigen Bus in die Innenstadt. Auch die Handhabung der Bezahlapp für das Ticket ist kein Problem.

Den Rest des Tages verbringen wir wieder auf der Promenade an der Waterfront und in den Public Gardens.

Am Donnerstag, dem 16. Mai, geniessen wir ein letztes Mal das «währschafte» Frühstück im Hotel und checken dann aus. Mit dem Bus 29 fahren wir bis knapp vor den Container Terminal am Fairview Cove. Mit einem kurzen Umweg, da wir unsere Unterlagen vorgängig nicht genau studiert haben, erreichen wir schliesslich das Empfangsgebäude. Ausgerüstet mit unserer gelben Warnweste und dem Besucherausweis, den wir erhalten haben, werden wir zum Bürogebäude auf dem eingezäunten Hafenareal gefahren. Hier müssen wir die vom Zoll abgestempelten Papiere vorweisen und werden dann zu unserem Fahrzeug geführt. Mit dem Hafenarbeiter kontrollieren wir das Wohnmobil auf Schäden und prüfen ob in den Schränken etwas fehlt. Es ist alles in Ordnung und so quittieren wir den Empfang.

Auf dem grossen Parkplatz vor dem Hafen machen wir unser Brummsli reisefertig. Den Stickstoff im Gastank lassen wir ab. Das ist ungefährlich, stinkt einfach etwas. Die Sandbleche werden wieder an der Rückwand montiert und die Schränke umgeräumt.

An der erstbesten Tankstelle füllen wir den Dieseltank. Wir fragen höflich nach Trinkwasser, angeblich gibt es aber keine Möglichkeit den Wassertank zu füllen. Nächster Halt ist bei einer Gastankstelle. Entgegen den Angaben in unseren Reiseunterlagen werden hier aber nur Gasflaschen und keine fest eingebauten Gastanks befüllt. Die Mitarbeiter verweisen uns an «Canadian Tire», nur wenige hundert Meter weiter. Hier wird uns dann auch geholfen. Der Andrang am Propangastank ist riesig. Zahlreiche Kanadier lassen hier ihre Gasflaschen auffüllen. Bis wir dran sind unterhalten wir uns mit dem kanadischen Besitzer eines riesigen Wohnmobils über die Gas- und Wasserversorgung. Er empfiehlt uns, einen Campingplatz aufzusuchen um den Wassertank zu füllen. Die Mitarbeiterin an der Gaszapfsäule bekommt das mit, und bietet mir an, den Wasseranschluss in der Autowerkstatt zu nutzen. Endlich sind wir dran und im Nu sind 47 Liter Propangas im Tank. Beim Ablassen des Stickstoffes habe ich die grosse Mutter zum Druckregler nicht stark genug angezogen, darum ist die Verbindung nicht ganz dicht. Ich ziehe deshalb mit dem grossen 30er Schlüssel vorsichtig etwas stärker an und schon ist das Problem gelöst. Danach können wir noch, wie versprochen, den Wassertank füllen.

Jetzt müssen nur noch der leere Kühlschrank und die Lebensmittelschubladen gefüllt werden. Da keine Nahrungsmittel im Camper mitgeführt werden durften, ist unsere Einkaufsliste ziemlich lang. Mit CAD 320 ist dann auch die Belastung auf der Kreditkarte recht happig.

So, jetzt wollen wir nur noch raus aus der Stadt. Wir geben die Koordinaten eines kostenlosen Stellplatzes an der Terence Bay ein und erreichen nach knapp 30 Kilometern unser erstes Tagesziel. Der Kiesplatz liegt neben einem Kinderspielplatz unmittelbar am Wasser. Wir wollen es uns jetzt gemütlich machen. Doch wo ist mein Mobiltelefon? Wir durchsuchen alle Taschen an Jacken und Hosen, durchforsten die Fahrerkabine und den Wohnbereich, doch das Telefon bleibt unauffindbar. Auch ein Anruf auf die vermisste Nummer hilft nicht, denn vermutlich ist das Handy immer noch auf "lautlos" gestellt, da ich meist vergesse am Morgen auf "laut" umzustellen. Nach einem anstrengenden Tag befällt mich leichte Panik. Habe ich das blöde Ding beim Einkaufen im Laden oder auf dem Parkplatz verloren? Schnell packen wir unsere sieben Sachen zusammen und fahren wieder zurück ins Einkaufszentrum nach Halifax. Auf dem Parkplatz ist nichts zu finden und auch am Kundendienst vom Walmart ist nichts abgegeben worden. Ich steige wieder ins Auto und male mir schon aus, was alles zu unternehmen ist. Am meisten ärgert mich, dass die SIM-Karte von Yallo mit unbeschränktem Datenpaket für USA und Kanada weg ist. Doch was liegt denn da in der Ablage der Fahrertür? Mein Telefon. Mir fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Erleichtert fahren wir zurück an die Terence Bay und braten uns ein feines Steak

Nach einer ruhigen Nacht folgen wir der Küstenstrasse. Schon nach wenigen Kilometern fahren wir auf einen Parkplatz am Strassenrand und unternehmen einen kurzen Spaziergang durch die Heidelandschaft die durchzogen ist von glatt geschliffenen Granitfelsen. Zwischen den zahlreichen Inseln vor dem Festland kreuzen etliche Fischerboote. Die wilde Küste erinnert stark an Norwegen oder Schottland.

Jetzt ist es nur noch ein kurzes Stück bis Peggys Cove. Der hübsche Fischerort mit dem markanten Leuchtturm ist ein beliebtes Reiseziel und wird in der Hochsaison von zahllosen Touristen und Reisecars überrannt. Etliche Künstler führen hier ihre Galerien. Für uns Schweizer hat der Ort durch den Absturz der Swissair-Maschine SR111 am 2. September 1998 traurige Berühmtheit erlangt. 229 Menschen verloren dabei ihr Leben. Etwas ausserhalb von Peggys Cove besuchen wir die Gedenkstätte.

Gemütlich fahren wir weiter entlang der zerklüfteten Küste, vorbei an hübschen Ortschaften mit bunten Häusern bis nach Lunenburg. Das Städtchen ist benannt nach der Herkunft der vielen deutschen Einwanderer aus Lüneburg. Auf dem Campingplatz im kleinen Ort finden wir einen schönen Stellplatz. In der hübschen Destillerie Ironworks kaufen wir ein Sortiment an kleinen Fläschchen verschiedener Schnäpse und Liköre. Am Hafen liegen grosse Segelschiffe vor Anker und ein Fischtrawler legt ab, während wir uns auf der sonnigen Terrasse eines der vielen Restaurants mit Fish & Chips verpflegen.

 

 

Rund um Nova Scotia  
18. Mai bis 26. Mai 2024

 

Während wir an der Entsorgungsstation des Campingplatzes beschäftigt sind, werden wir plötzlich auf Schweizerdeutsch angesprochen. Einem Ehepaar, das ursprünglich aus Wettingen bzw. Zürich stammt, aber schon seit 50 Jahren in Kanada lebt, ist unser Aargauer Nummernschild aufgefallen. Die beiden sind ebenfalls auf dem Weg nach Neufundland und Labrador und raten uns, die Überfahrt von North Sydney nach Port aux Basques schon zu buchen. Wir nehmen uns das zu Herzen und wollen das heute Abend noch erledigen. Wir schwatzen noch eine Weile bevor die Fahrt los geht.

Im Ovens Natural Park, nur wenige Kilometer von Lunenburg entfernt, machen wir den ersten Halt. Der Eintritt ins private Schutzgebiet, kostet zwar ein paar Dollar, aber als «young looking seniors» erhalten wir 50% Rabatt. Auf einem gut ausgebauten Spazierweg entlang der Steilküste vertreten wir uns die Beine. Der Pfad führt hoch über dem tosenden Meer durch einen schönen Wald. Etliche Stolleneingänge alter Goldminen, die um 1860 in den brüchigen Schiefer geschlagen wurden, sind hier zu besichtigen.

Auf der wenig befahrenen Autobahn geht es der Küste entlang bis zur Cape Sable Island, die über einen Damm erreicht werden kann. Auf einem Parkplatz beim Strand, am Rande eines Vogelschutzgebietes finden wir einen schönen Übernachtungsplatz. Vorher umrunden wir die kleine Insel aber noch, um uns das ursprüngliche Fischerdorf Clark’s Harbour anzusehen, welches im Reiseführer als sehenswert gepriesen wird. Wir können dem kleinen Ort allerdings nicht viel abgewinnen und kehren zu unserem Übernachtungsplatz zurück und reservieren die Fähre nach Neufundland für Montag, den 27. Mai. Eine ganze Weile sorgen vorbeifahrende Pickups mit ihren grossen Motoren für ordentlich Lärm. Schliesslich verbringen wir hier dann aber doch eine ungestörte Nacht, obwohl ein kräftiger Sturm mit Regen aufzieht.

Generell fällt auf, dass vor den meisten Häusern gleich mehrere Autos stehen, häufig grosse SUVs oder Pickups, ein wahrer Horror für jeden Klimaaktivisten.

Am nächsten Morgen erreichen wir jene Gegend, die im 17. Jahrhundert von französischen Einwanderern besiedelt wurde. Sie nannten diese Gebiet Akadien. Später wurden sie zwar von den Engländern vertrieben, viele kehrten aber hierher zurück. Die Nachfahren sind noch heute stolz auf ihre Herkunft und an manchem Haus weht die Trikolore mit dem goldenen Stern. Vereinzelte Kanadische Fahnen scheinen mit Französischstämmigen zu konkurrieren.

Mittag ist schon vorbei, als wir auf dem Campingplatz von Digby einchecken. Der Platz ist frisch renoviert. Die Besitzerin erzählt uns, dass sie versuchen bei einem Teil der Stellplätze den Rasen neu anzusäen. Es hat hier aber schon seit Wochen nicht mehr geregnet, auch gestern ist es trocken geblieben. Deshalb ist die arme Frau den ganzen Tag damit beschäftigt die Parzellen zu bewässern, bei nur geringem Wasserdruck in den Leitungen ist das ein mühsames Unterfangen.

In einer knappen Viertelstunde spazieren wir ins Dorfzentrum. Im Hafen befindet sich die grösste Fangflotte für Kammmuscheln in Neuschottland. In den Restaurants werden deshalb überall «Scallops» in allen Variationen angeboten. Wir wenden uns allerdings dem Hummer zu und bestellen «Lobsterrolls», die vorzüglich schmecken, allerdings für relativ wenig Hummerfleisch doch recht teuer sind. Dafür können wir auf der Terrasse die Sonne geniessen, die sich heute wieder zeigt.

Auf den Campingplatz ist die Besitzerin immer noch am Bewässern, während immer mehr neue Gäste eintreffen. Die Kanadier fahren meist mit riesigen Trailern vor, die selbst einer Grossfamilie genügend Platz bieten würden. Die Mietfahrzeuge der europäischen Reisenden sind eine Nummer kleiner, aber immer noch recht geräumig. Ein Aargauer Paar aus Windisch im eigenen Pickup mit Absetzkabine trifft ebenfalls ein. Auch sie haben die Reise, wie wir, letzte Woche begonnen.

Bei Digby erstreckt sich die schmale Landzunge Digby Neck in die Bay of Fundy. Eigentlich besteht der Landstreifen aus drei Teilen, wobei die zwei äusseren Inseln durch Fähren miteinander verbunden sind. Die Bucht von Fundy zeichnet sich durch ausgewöhnlich hohen Tidenhub von bis zu 21 Metern aus. Dieser Rekord wurde 1869 verstärkt durch einen Sturm gemessen. Normalerweise beträgt der Gezeitenunterschied 10 – 16 Meter. Uns interessiert heute allerdings etwas anderes. Auf der ersten Insel gilt eine etwa 6 Meter hohe, schmale Basaltsäule, die aufrecht auf einer Felsplatte über dem Ozean steht, als Sehenswürdigkeit.
Nach rund 45 Kilometern Fahrt durch die liebliche Landschaft des Digby Neck, erreichen wir die erste Fähre (East Ferry). Diese fährt immer zur halben Stunde. Wir müssen deshalb fast 45 Minuten warten, bis wir in wenigen Minuten zum gegenüberliegenden Ufer nach Tiverton übersetzten können. Von hier sind es nur noch wenige Kilometer bis zum, noch leeren, Wanderparkplatz. Wenige Minuten später treffen auch unsere Stuttgarter Nachbarn vom Campingplatz ein und stellen ihr Fahrzeug neben unseres.

Auf einem gut ausgebauten Plankenweg gelangen wir bis zur Steilküste. Informationstafeln geben Einblick in Geologie, Flora und Fauna der Umgebung. Am Schluss des kurzen Spazierganges führen 235 Stufen hinunter ans Meer zum Balancing Rock.

Wir kehren zurück zum Parkplatz und machen uns auf den Rückweg. Die Gegend ist bekannt für Wal-Beobachtungs-Touren. Allerdings hat die Wal-Saison noch nicht begonnen und so müssen wir uns nicht darüber den Kopf zerbrechen, ob wir nochmals eine Bootstour buchen sollen. Wir haben die Meeressäuger schon in Norwegen und Island bewundert. Dafür geniessen wir am Lake Midway einen herrlich gelegenen Picknick-Platz bei schönstem Sonnenschein.

Über Digby erreichen das historische Städtchen Annapolis Royal. Bevor wir uns der Geschichte des Ortes widmen, fahren wir zum Baumarkt um uns Wasseranschlüsse mit Zollgewinde zu besorgen. Denn obwohl in Kanada die Distanzen in Kilometern und die Geschwindigkeiten in Km/h angegeben sind, passen unsere metrischen Gewinde der Gardena-Anschlüsse nicht.

Annapolis Royal wurde um 1600 durch französische Siedler gegründet, und schon bald durch eine Festung gesichert. Trotzdem wurde der Ort 1710 durch die Engländer erobert und die Akadier wurden vertrieben oder deportiert. 

Wir besichtigen das Fort, welches, wie zur damaligen Zeit üblich, sternförmig angelegt ist. Allerdings wurden die Mauern nicht wie in Halifax aus Stein errichtet, sondern bestehen aus Erdwällen. Ein altes Munitionsdepot und ein kleines Museum sind im Zentrum der Anlage zu besichtigen.

Wir spazieren durch den geruhsamen, kleinen Ort mit den bunten Holzhäusern zurück zum Parkplatz und fahren ins Landesinnere bis zum Kejimkujik Nationalpark. Auch hier ist der Zugang, wie in der Festung von Annapolis Royal, dank dem Discovery-Pass, den wir in Halifax erworben haben, kostenlos. Lediglich für zwei Übernachtungen auf dem grosszügigen Campingplatz müssen wir 57 CAD bezahlen. Die zahlreichen, im schattigen Wald gelegenen Stellplätze am Kejimkujik See sind nur spärlich belegt.

Für den nächsten Tag haben wir eine Wanderung geplant. Die ursprünglich geplante Route ist allerdings wegen einem maroden Plankenweg gesperrt, wir finden aber eine schöne Alternative entlang dem Mersey River. Wir marschieren durch den schattigen Wald, entlang dem Fluss mit dem moorig braunen Wasser und treffen lediglich auf zwei Radfahrerinnen, die uns entgegenkommen. Nach etwa 2 Stunden kehren wir um und wandern auf der gleichen Route zurück zum Campingplatz.

Es ist jetzt Mittwoch, der 22. Mai. Heute steht uns eine längere Fahrt bevor. Wir wollen bis nach Truro, um am Salmon River die Gezeitenwelle zu beobachten. Diese ist hier, auf Grund des hohen Tidenhubes in der Bay of Fundy, besonders ausgeprägt. Am Flussufer gibt es deshalb sogar ein spezielles Informationszentrum. Im Internet ist eine Tabelle zu finden, auf der für jeden Tag die Uhrzeit angegeben ist, zu der die Welle erwartet wird. Für heute wäre das 12.35 Uhr, also kurz nach Mittag. Wir stellen deshalb den Wecker und machen uns etwas früher als üblich auf den Weg. Da wir wieder einmal einen Fastentag einlegen, sparen wir uns auch noch die Zeit fürs Frühstück. Nur schnell den Wassertank auffüllen uns schon geht es los.

Auch wenn wir nicht die Autobahn benutzen kommen wir zügig voran. Hier im Zentrum von Nova Scotia weicht der an der Küste allgegenwärtige Wald landwirtschaftlichen Flächen, die hauptsächlich für Viehwirtschaft genutzt werden. Nur gelegentlich müssen wir durch Ortschaften auf 50 oder 60 Stundenkilometer abbremsen. Meist geht es mit 70 bis 90, mit wenig Verkehr, dem Ziel entgegen. Um 11.30 erreichen wir das Informationszentrum und setzen uns auf eine Bank. Ein Tourist aus Texas gesellt sich zu uns und erzählt von seinen Reisen rund um die Welt, auch Zermatt und das Lauterbrunnental hat er schon besucht. So geht die Zeit schnell vorbei, bis sich die etwa 1 Meter hohe Flutwelle den Fluss hinauf wälzt. Eigentlich haben wir uns das Ganze etwas spektakulärer vorgestellt. Gemäss Mitarbeitern im Infozentrum war die Welle heute auch nicht besonders hoch. Was solls, wir haben auf jeden Fall alles auf Foto und Video festgehalten und können dann einmal im Alter von den Erinnerungen zehren.

Bis wir am Montag mit der Fähre nach Neufundland übersetzten, haben wir noch ein paar Tage die uns bleiben. Diese wollen wir nutzen um Cape Breton Island, den nordöstlichsten Teil Neu-Schottlands, zu erkunden. Die Küstenstrasse Cabot Trail, soll eine der Schönsten der Welt sein; wir lassen uns überraschen.
Die Region ist geprägt von den schottischen Einwanderern. Deshalb sind die meisten Ortsnamen auch gälisch angegeben. Am 15. September 1773 brachte der Dreimaster «Hector» die erste Gruppe schottischer Highlander nach Pictou. Am Hafen, mit den historischen Gebäuden, ist eine authentische Nachbildung des Schiffes noch im Bau. Allerdings, sind bei unserem Besuch, kurz vor Saisonbeginn, die meisten Restaurants und das McCulloch Heritage House Museum geschlossen oder in Renovation. Trotzdem geniessen wir den Spaziergang am alten Hafen.

Via Cape George, mit dem Leuchtturm hoch über den Klippen, gelangen wir auf Cape Breton Island. Während der Nacht am Strand bei Troy regnet es heftig. Am nächsten Morgen zeigt sich der Himmel allerdings schon wieder wolkenlos. Vorbei an Siedlungen der «First Nations», wie die Ureinwohner heute politisch korrekt genannt werden, geht es nordwärts. In Geschäften entlang der Strasse wird von den Mi’kmaq, neben Souvenirs auch Cannabis verkauft. Es scheint, dass das hier, zu medizinischen Zwecken, legal möglich ist.

Unseren nächsten Übernachtungsplatz finden wir etwas abseits der Strasse am Meer. Vom Meer her weht allerdings ein kalter Wind, so dass wir uns im Windschatten unseres Wohnmobiles an der Sonne aufwärmen. Über dem kalten Wasser bildet sich bald dichter Nebel, der dann gegen Abend auch unseren Schlafplatz erreicht. Hoffen wir, dass Morgen die Sonne wieder scheint, denn wandern ist wieder angesagt.

Tatsächlich ist uns der Wettergott hold. Es ist angenehm warm und fast wolkenlos. Zuerst ein kurzer Stopp in Ingonish Beach. Hier gibt es zum Einlaufen einen kurzen Spaziergang in Richtung Middle Head, der langgestreckten Landzunge, die ins Meer hinausragt. Allerdings ist auch hier vor Saisonbeginn noch nicht alles bereit. Der Wanderweg ist teilweise gesperrt oder noch im Ausbau befindliche. Es ist eher mühsam vorwärts zu kommen. Deshalb machen wir nur eine verkürzte Schlaufe durch den schattigen Wald und freuen uns an den Eichhörnchen, die in den Tannenzapfen nach Samen suchen.

Bis zum Ausgangspunkt der Wanderung auf dem Franey Trail sind es nur wenige Kilometer, das letzte Stück ist zwar für Wohnmobile gesperrt. Das Fahrverbot ignorieren wir aber. Einerseits ist unser Fahrzeug nicht grösser als einer der hier üblichen Pickups und zum anderen ist der Andrang um diese Jahreszeit noch nicht so gross. Der Parkplatz ist darum auch fast leer.

Durch den lichten Mischwald geht es zuerst auf einem breiten Kiesweg mässig bergauf, später auf einem steinigen Bergweg steil hoch zum Gipfel. Von hier bietet sich eine atemberaubende Aussicht auf die Küste, die vor uns liegt, auch der Middle Head in Ingonish, wo wir erst noch spaziert sind, liegt uns zu Füssen. Ein komfortabler, roter Holzsessel steht auf einer der Felsplatten und lädt zum Geniessen der Aussicht ein.

Der Rückweg ist etwas länger als der Aufstieg, dafür ist er weniger steil. Es sind nur wenige Wanderer unterwegs. Ein Schwesternpaar mit riesigem Feldstecher, erzählt uns begeistert, dass sie auf dem Gipfel einen wilden Truthahn beobachten konnten, den Ersten den sie je gesehen haben. Wir mussten uns mit ein paar Eichhörnchen begnügen.

Wir folgen der Küste, die immer wieder schöne Ausblicke bietet. Zahlreiche Haltemöglichkeiten und Picknickplätze laden zu kurzen Stopps ein. Auf kurzen Spazierwegen lässt sich die nähere Umgebung erkunden.

Unser Plan wäre auf dem Campingplatz über den Klippen von Meat Cove, ganz im Norden der Halbinsel zu übernachten. Allerdings wird das Wetter von Westen immer schlechter. Dichter Nebel breitet sich aus und es beginnt zu regnen. Ausserdem bläst ein heftiger Wind. Wir entschliessen uns deshalb umzukehren und hoffen auf besseres Wetter weiter südlich. Wir werden allerdings enttäuscht. Der Nebel hat sich an der ganzen Westküste ausgebreitet. Erst gegen Abend zeigt sich bei unserem Übernachtungsplatz in Chéticamp nochmals die Sonne.

Am Hafen von Chéticamp können wir am nächsten Morgen unseren Wassertank füllen. Wie immer, die letzten Tage, filtrieren wir das Wasser mit dem Aktivkohlefilter, den wir dabeihaben. Erstens hoffen wir dadurch bei gechlortem Wasser den unangenehmen Geschmack zu eliminieren und zweitens ist die Wasserqualität nicht in jedem Fall über alle Zweifel erhaben. Der Vorfilter, welcher Schwebeteilchen zurückhält ist zumindest schon nach kurzer Zeit stark verfärbt.

Nicht auf direktem Weg, aber zügig, gelangen wir nach North Sydney. Am Hafen ist ein Stellplatz auf unserer App angegeben. Leider ist auch hier neuerdings ein Schild angebracht, dass Campieren und Parken über Nacht nicht erlaubt ist. Wir stellen unser Fahrzeug aber erst einmal ab und unternahmen einen Spaziergang in den kleinen Ort. Auf der Suche nach einem Restaurant entdecken wir auf der anderen Seite des Hafens einen grossen Parkplatz, wo wir die Nacht verbringen können. Gleich angrenzend gibt es auch ein nettes Restaurant.

Wir kehren zurück zu unserem Wohnmobil. Etwas weiter hinten steht ein kleiner VW Bus mit deutschen Kennzeichen. Schon von Weitem winkt uns eine ältere Dame zu und freut sich etwas Deutsch reden zu können. Die Seniorin ist alleine unterwegs und wird, wie wir, am nächsten Morgen nach Neufundland uns später nach Labrador weiterreisen. Sie ist jetzt schon den dritten Tag hier auf dem Parkplatz, ohne dass sie wegen dem Verbot weggewiesen worden wäre. Trotzdem entschliessen wir uns auf den anderen Platz zu fahren. Elsbeth möchte für heute Abend im Restaurant einen Tisch reservieren. Dabei wird ihr mitgeteilt, dass das Lokal wegen einem Cateringauftrag geschlossen bleibt. Der Mitarbeiter bietet uns aber an für 17 Uhr zwei Portionen Fish & Chips vorzubereiten, die wir mitnehmen und im Auto verzehren können. Wie versprochen, ist unser Nachtessen, heiss und frisch zubereitet parat. Zum Dessert gibt es vom benachbarten Glacestand noch zwei Riesenportionen Eiscreme.

Bye Bye Nova Scotia, Hello Newfoundland
28. Mai bis 7. Juni 2024

 

Um 11.45 Uhr soll unser Schiff ablegen. Zwei Stunden vorher sollten wir am Hafen sein. Da wir kaum 5 Minuten Weg bis zum Fährterminal haben, können wir es gemütlich nehmen. Die Abfertigung geht zügig voran und auch das Verladen der wartenden Fahrzeuge geht ohne Probleme. Vom Sonnendeck aus beobachten wir das Auslaufen aus dem Hafen von North Sydney, ziehen uns dann aber bald ins Innere zurück, denn auf dem offenen Meer ist es eisig kalt. Wir haben zwar Mütze und Handschuhe im Rucksack, auf den reservierten Passagiersesseln mit Kopfstütze und Fussschemel ist es bedeutend komfortabler. Ausserdem sind wir schon bald im dichten Nebel und so ist von der über sechsstündigen Fahrt nicht viel zu sehen. Erst kurz vor Neufundland lichtet sich der Nebel und gibt die Sicht frei auf die Küste bei Port aux Basques. Die hügelige Landschaft, weitgehend ohne Baumbewuchs, erinnert an Island oder Norwegen.

Für uns verzögert sich das Verlassen der Fähre, denn die Besitzer des Wohnmobiles vor uns sind noch nicht in ihrem Fahrzeug. Die Autos stehen so nahe hintereinander, dass das Manövrieren auf die Spur neben uns nicht möglich ist. Und so wartet unsere Reihe, bis die beiden doch noch auftauchen und losfahren. Vermutlich haben sie sich nicht gemerkt auf welchem Deck ihr Auto steht und mussten das Fahrzeug suchen.

Port aux Basques ist ein kleines Nest. Wir haben einen Stellplatz bei der Werft für die Übernachtung vorgesehen. Allerdings ist dieser Platz mit Baumaschinen vollgestellt und wird momentan saniert. So suchen wir uns eine andere Übernachtungsmöglichkeit an der Grand Bay, etwas ausserhalb. Hier treffen wir auch die ältere Dame aus Deutschland wieder, mit der wir schon in North Sydney gesprochen haben.

Es steht zwar auch hier ein Schild «no camping and overnight parking», wir entscheiden uns aber trotzdem hier zu bleiben. Eine Spaziergängerin versichert mir, dass wir nicht damit rechnen müssen, weggewiesen zu werden. Sie sehe jeden Morgen Wohnmobile hier stehen. Die Wildcamper sind zwar immer wieder ein Thema in der Nachbarschaft, besonders ärgerlich seien aber jene, die den Kompressor die ganze Nacht laufen lassen.

Wir verbringen dann auch eine ruhige Nacht hier am Strand, wo schon frühmorgens Spaziergänger und Hündeler ihre Runden drehen.

Für Wohnmobilisten hat Neufundland gegenüber Neuschottland einige Vorteile. So gibt es nur wenige hundert Meter von unserem Übernachtungsplatz entfernt eine Entsorgungsstation, wo wir unseren Abwassertank leeren und Frischwasser auffüllen können. Auch Abfalleimer sind dort vorhanden. Mit der App «IOverlander» lassen sich die Installationen problemlos finden.

In Nova Scotia sind solche Einrichtungen kaum zu finden. Für Frischwasser oder Entleerung von Toilette und Abwassertank muss meist ein Campingplatz angefahren werden. Abfalleimer sind oft nur in Einkaufszentren zu finden. Mülltrennung ist nur in Nationalparks problemlos möglich. Auf PET-Flaschen und Aludosen wird zwar ein Pfand erhoben, die Entsorgung ist aber in Einkaufszentren nicht gewährleistet. Lediglich Privathaushalte sind verpflichten ihren Abfall zu trennen.

Die Auswahl an Strassen ist auf Neufundland eher beschränkt. Der Trans Canada Highway 1 führt im Bogen an die Nordküste und wieder nach Süden bis nach St. John’s. Von dieser Hauptverkehrsachse zweigen dann Nebenstrassen zu den Dörfern an der Küste und auf verschiedenen Halbinseln ab. Das Zentrum und die Südküste sind kaum mit Strassen erschlossen.

Wir fahren auf dem Highway nordwärts. Auf der «Port au Port» Halbinsel finden wir beim Cape St. George im Boutte du Cap Naturpark einen geschützten Übernachtungsplatz. Schon der ganze Tag war geprägt von heftigen Windböen die es oft schwer machten die Spur zu halten. Gegen Abend überzieht sich der Himmel jetzt auch noch mit dunkeln Wolken und bald regnet es heftig. Hinter den niedrigen und dicht gewachsenen Nadelbäumen sind wir aber gut geschützt. Bevor das Unwetter richtig los geht reicht es noch für einen kurzen Spaziergang zu den steilen Brutklippen einer Seemöwenkolonie.

Der nächste Morgen lässt von der stürmischen Nacht nichts mehr erahnen. Es ist windstill, fast wolkenlos und warm. An der Nordküste der Halbinsel «Port au Port» liegt der kleine Ort Lourdes. Hier gibt es seit den 1980er Jahren, in Anlehnung an das französische Original, eine kleine Pilgerstätte mit Kirche, Kreuzweg und Mariengrotte.

Wir wollen das schöne Wetter heute ausnutzen und fahren bis zum Campingplatz in Deer Lake, am gleichnamigen See. Am Strand im Dorf ist das Übernachten nicht erlaubt und hier auf dem Platz können wir die Liegestühle zum Einsatz bringen. Allerdings stürzt sich sogleich ein ganzer Mückenschwarm auf uns und hofft auf eine ergiebige Mahlzeit. Da kommt jetzt zum ersten Mal der Mückenspray zum Einsatz, den wir schon am ersten Tag in Halifax gekauft haben. Die Dame an der Reception versichert uns aber, dass gegen 14 Uhr jeweils der Wind vom See her einsetzt und die lästigen Biester vertreibt. Es wird zwar 15 Uhr bis es soweit ist, aber jetzt lässt es sich ungestört an der Sonne dösen. Vor dem Eindunkeln wollen wir uns doch noch etwas bewegen und spazieren dem Strand entlang ins Dorf.

Weiter geht es bis nach La Scie, einem Fischerort mit geschütztem Hafen, das von französischen Fischern geprägt ist, welche als erste hier gelandet sind. Der kleine Campingplatz ist noch kaum belegt, bietet aber eine tolle Aussicht auf das Meer und die Klippen. Eine ganze Reihe von Spazierwegen führt zu verschiedenen Aussichtspunkten.

Auf dem Weg nach La Scie machen wir noch einen Abstecher nach Westport. Unsere App «Iceberg-finder» zeigt nämlich an, dass dort einer der weissen Kolosse vor der Küste treiben soll. Tatsächlich ist ein Eisberg unweit des Strandes im flachen Wasser gestrandet und wird sich im warmen Wetter nach und nach auflösen. Vor der Nordküste Neufundlands treiben zahlreiche Eisberge, von Grönland kommend, vorbei. Zur Zeit sind es gemäss Internet 80. Viele gelangen durch die Meerenge zwischen Neufundland und Labrador in den Golf von St. Lorenz. Einer dieser Eisriesen wurde am 14. Aprll 1912 der Titanic zum Verhängnis. 550 Km südöstlich von Neufundland kollidierte das Schiff mit einem Eisberg.

Am nächsten Morgen ist es vorbei mit wolkenlosem Himmel. Es ist kalt und regnerisch und es soll auch ein paar Tage so bleiben. Trotzdem wollen wir noch ein Stück weiter nach Osten fahren. Heute möchte Elsbeth ihre Fahrkünste unter Beweis stellen um für einen Notfall gewappnet zu sein. In Nordamerika ist die 3.5 Tonnen Limite in unserem Fahrausweis kein Hindernis Wir kehren von La Scie zurück auf den Highway 1 und brausen zügig bis nach Grand Falls-Windsor. Hier besuchen wir das kleine örtliche Museum, Wir erfahren mehr über die 4000 Jahre Besiedelung Neufundlands und das tragische Schicksal der Beothuk. Die Ureinwohner wurden durch die eindringenden Europäer verdrängt und ermordet oder fielen den eingeschleppten Krankheiten zum Opfer. Die Eingeborene Shanawdithit starb 1829, als letzte ihres Volkes, der Beothuk, in St. John’s.

Ein paar Kilometer geht es noch weiter bis auf einen Campingplatz bei Gambo. Hier in der Gegend sind Freistehplätze rar. Häufig sind die Seeufer bebaut, kaum zugänglich oder es herrscht Campingverbot.

Am nächsten Morgen wollen wir den Wassertank noch auffüllen. Allerdings ist der Vorfilter nach nur 10 Litern dermassen durch rostbraune Verunreinigungen verstopft, dass kein Tropfen mehr in den Wassertank gelangt. Vermutlich ist die Leitung nach der langen Winterpause das erste Mal wieder in Gebrauch und müsste zuerst ordentlich durchgespült werden. Wir haben noch über 100 Liter im Tank und brechen die Übung deshalb ab.

Bei Nieselregen geht es auf der Küstenstrasse nach Norden. Leider ist von der reizvollen Schärenlandschaft im Nebel nicht viel zu erkennen. In Newtown machen wir Halt. Im hübschen Fischerort, der auf mehreren Inseln angelegt ist, die durch Brücken miteinander verbunden sind, gibt es das «Barbour Living Heritage Village», ein Museumsdorf. Ein ausgeschilderter 6 Km langer Rundgang durch das Dorf und die Umgebung führt zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten. Allerdings ist das Wetter dermassen unfreundlich, dass wir es bei ein paar Fotos des 400 Selendorfes belassen.

Unser heutiges Ziel ist Twillingate, ein Fischerdorf mit bunten Häusern am Nordende der South Twillingate Island. Dort gibt es beim Leuchtturm einen ruhigen Übernachtungsplatz.

Während der Fahrt heute haben wir mit Schrecken festgestellt, dass unsere Bordbatterie über die Lichtmaschine nicht mehr geladen wird. Erste Versuche den Fehler unterwegs zu finden sind gescheitert. Auf dem Stellplatz haben wir mehr Ruhe und Zeit. Schliesslich führt das Tauschen der Temperatursensoren von Batterie-Ladegerät (Landstrom) zum Lade-Wandler (Ladung über Lichtmaschine) zum Ziel. Jetzt müssen wir nur beim nächsten Aufenthalt auf einem Campingplatz noch testen, ob die Ladung über den Landstromanschluss funktioniert, oder ob der Temperatursensor defekt ist.

Den Rest des Nachmittages verbringen wir im warmen Wohnmobil, denn das Wetter verschlechtert sich zusehends. Auch von den anderen Campern zeigt sich niemand im Freien. Nur das Nebelhorn vom nahen Leuchtturm ist, neben dem Prasseln des Regens, in regelmässigen Abständen zu hören.
Selbst mit Ohrstöpseln war das Dröhnen des Nebelhornes im Minutentakt nicht zu überhören. Auch die Hoffnung auf besseres Wetter erfüllt sich nicht. Im Gegenteil, der Regen hat zwar aufgehört, aber der Nebel ist noch dichter als gestern. Wir wollen deshalb heute eine grössere Strecke hinter uns bringen und fahren wieder auf den Trans-Canada-Highway. Dann geht es mit 100 Sachen zurück nach Deer Lake. Dort biegen wir ab nach Norden in den Gros Morne Nationalpark bis nach Rocky Harbour. Hier werden wir, bei der Suche nach dem Campingplatz, von einer Kanadaschweizerin im Bündner-Dialekt angesprochen und erhalten eine Wegbeschreibung.
Bei strahlendem Wetter beginnt ein neuer Tag. Wir wollen die Gelegenheit zu einer kurzen Wanderung nutzen. Nur wenige Kilometer nach Rocky Harbour führt ein breiter Spazierweg durch die nordische Moorlandschaft zur Bootsanlegestelle am Western-Brooke-Pond. Dies ist ein bis zu 165 Meter tiefer, schmaler See in einer von Gletschern geformten Schlucht, der von mehreren hundert Meter hohen Felswänden gesäumt ist. Ursprünglich handelte es sich um einen Fjord, der aber durch die Landhebung der Küste vom Meer abgeschnitten wurde.
Wir kehren zurück zum Parkplatz, von wo uns zahlreiche Touristen entgegenkommen, die an der nächsten Bootstour teilnehmen wollen.
Am Cow Head folgt ein weiterer Spaziergang zum kleinen Leuchtturm aus dem Jahr 1909, der bis 1979 in Betrieb war. 2002 wurde er restauriert, steht heute allerdings, für Schiffe unsichtbar im dichten Wald.
Übernachten können wir heute im Arches Rock Provincial Park, wo die Brandung des Meeres mehrere Steinbögen im Fels ausgewaschen hat. Auch hier werden wir wieder von einer Schweizerin angesprochen, die vor 30 Jahren von Thun nach Kanada ausgewandert ist und jetzt mit ihrem Partner durch das Land reist.
Das Wetter spielt weiterhin mit und so fahren wir entlang der wilden Küste zügig weiter bis nach Saint Barbe. Die Fahrt wird nur unterbrochen von einem Halt in Port au Choix. Hier gibt es Ausgrabungsstätten und ein Museum, das 5500 Jahre Besiedlung durch die Ureinwohner dokumentiert. Ausserdem sehen wir heute unseren ersten Elch. Die Elchkuh überquert auf ihren langen Beinen gemächlich die Strasse und verschwindet wieder im Wald.
Jetzt ist es nicht mehr weit bis nach Saint Barbe. Hier wollen wir uns am Hafen betreffend der Fähre nach Labrador informieren. Allerdings ist es im Ticket-Office nicht möglich für nächsten Samstag eine Überfahrt zu reservieren oder ein Ticket zu kaufen. Dies hat entweder telefonisch oder auf einer trägen Webseite zu geschehen. Wir erledigen es über das Internet. So bleiben uns noch ein paar Tage für die Nordspitze Neufundlands.

Auf unserer Karte haben wir aus der App «Iceberg Finder» die Standorte von gesichteten Eisbergen in der Iceberg Alley (Eisberg Allee) markiert. Schon kurz nach der Abfahrt entdecken wir nahe am Strand zwei kleinere Exemplare. Wir packen die Gelegenheit beim Schopf um einige Fotos zu schiessen. Unser eigentliches Ziel ist aber das nördlichste Ende Neufundlands. Hier werden am meisten Sichtungen gemeldet. Allerdings wird das Wetter zusehends schlechter und bald stecken wir in dichtem Nebel. So fällt unsere Eisbergsafari dem schlechten Wetter zum Opfer. Trotzdem fahren wir weiter bis L’Anse aux Meadows. Hier soll im Jahr 1021, unter Führung von Leif Eiriksson, eine Gruppe von Isländischen Wikingern über Grönland gelandet sein und eine Siedlung gegründet haben.

Wir besuchen zuerst ein privat betriebenes Museum mit einem nachgebauten Wikingerdorf. Hier befindet sich auch das Replikat eines Handelsschiffes der Wikinger mit dem Namen «Snorri». Das voll beladene Schiff soll 45 Tonnen wiegen, davon 14 Tonnen Ballaststeine. Mit dem Schiff wurde 1997 die 1500 Meilen lange Reise von Grönland nach Neufundland zurückgelegt. In den verschiedenen Gebäuden geben Statisten in historischen Kleidern Auskunft zu Leben und Arbeit der ersten europäischen Ankömmlinge.

Die Ausgrabungsstätte des Originaldorfes ist nur ein paar hundert Meter entfernt und wird als UNESCO World Heritage Site von «Parks Canada» verwaltet. Auch hier sind Wikingerhäuser nachgebaut und Fundstücke im Visitor Center ausgestellt.

Gemäss einem Mitarbeiter im Visitor Center ist der Grossteil des Landes hier «Crown Land» also Kronland und wird vom Staat verwaltet. Hier kann ohne weiteres wild campiert werden, ohne dass wir damit rechnen müssen weggeschickt zu werden. In ganz Kanada sind 89 % der Fläche Crown Land und nur 11 % in Privatbesitz. Holz-, Schürf- und Wasserrechte werden an Private verpachtet. Wir verbringen daher die Nacht auf einem der zahlreichen Kiesplätze auf denen geschlagenes Holz zu Brennholz zersägt und gespalten wird.

Auch der nächste Tag ist kalt, nass und neblig. Wir fahren deshalb nach St. Anthony, einer grösseren Siedlung, zum Einkaufen, machen in Goose Cove einen kurzen Spaziergang und fahren zum Onion Cove, bevor wir nach L’Anse aux Meadows zurückkehren. Beim Visitor Center gibt es nämlich noch einen etwa 3 Kilometer langen Rundweg durch die subarktische Küstentundra. Heute entdecken wir nur zwei grössere Eisberge, die im Nebel gerade noch zu erkennen sind.

Die Nacht verbringen wir am selben Ort wie Gestern und hoffen, dass wir Morgen mehr Wetterglück haben bevor wir am Samstag Neufundland Richtung Labrador verlassen.

Auf dem Trans-Labrador-Highway nach Québec
8. Juni bis 16. Juni 2024

 

Leider bleibt es auch für die Fahrt von L’Anse aux Meadows neblig und trüb. Zumindest vorerst. In St. Lunaire, wo wir gestern einen grossen Eisberg durch den Nebel gerade noch erkennen konnten, zeigt sich heute ein erstes Mal die Sonne und so können wir den Eiskoloss, der sich in die Bucht verirrt hat, heute nochmals bei besseren Bedingungen fotografieren. Die Eisriesen, die von kalbenden Gletschern in Grönland stammen, sind ein Jahr unterwegs, bis sie die Küsten Neufundlands erreichen, wo sie sich langsam auflösen. Gemäss einer Informationstafel ist der Schnee, aus dem das Eis besteht, vor 15'000 Jahren gefallen und hat sich zu Eis verdichtet. Das absolut reine Süsswasser wird von einer Brauerei zur Herstellung von «Iceberg Beer» verwendet und das schmeckt auch mir als Nicht-Bier-Trinker.

Statt dem Viking Trail, wie bei der Hinfahrt, wählen wir für die Rückfahrt die Strecke über den Grenfell Drive. Heute haben wir, auch was Elche betrifft, viel Glück. Gleich zwei Mal haben wir eine Begegnung mit den eindrucksvollen Tieren. Allerdings reicht die Zeit nicht für ein Foto, denn sofort verschwinden die scheuen Waldbewohner im Dickicht.

Je weiter wir nach Westen fahren, umso besser wird das Wetter und schliesslich können wir in St. Barbe, auf dem gleichen Stellplatz, den wir schon vor ein paar Tagen genutzt haben, einen sonnigen Nachmittag verbringen.

Problemlos verläuft die Fährfahrt am Samstag. Nach etwa 90 Minuten legen wir in Blanc Sablon, das noch zu Quebec gehört, an und müssen erst einmal die Uhr um 1 ½ Stunden zurückstellen. Im kleinen Ort gibt es einen schönen, kostenlosen Stellplatz. Eigentlich ist es eine Mischung aus Picknickplatz mit Feuerstellen und Picknicktischen, Kinderspielplatz mit zahlreichen Schaukeln und Spielgerät, sowie lauschigen Nischen für Wohnmobile und Zelte. Hier können wir bei wolkenlosem Himmel die Sonne geniessen und durch den kleinen Ort mit dem schönen Sandstrand (daher der Name) spazieren.

Eine Erwähnung verdienen noch die kanadischen Autofahrer. Wir haben jetzt schon etwa 4000 Kilometer zurückgelegt und obwohl viele mit grossen SUV und Pickup unterwegs sind zeigen sie sich überaus geduldig und rücksichtsvoll. Da gibt es, auch wenn wir nicht mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit unterwegs sind, kein Hupen, Drängeln oder riskante Überholmanöver, sondern die Geschwindigkeit wird angepasst, bis gefahrlos überholt werden kann.

Bei strahlendem Sonnenschein verlassen wir Blanc Sablon und erreichen schon nach wenigen hundert Metern die Grenze zu Labrador. Eine grosse Tafel weist darauf hin, dass das Mitführen von mehr als 9 Litern Bier, 1,14 Litern Wein und 1.14 Litern Spirituosen illegal ist. Da wir dem Alkohol seit unserer Ankunft in Kanada fast gänzlich entsagt haben, sind die Bestimmungen für uns daher nicht relevant.

Wir haben gedacht, dass wir heute recht zeitig unterwegs sind, doch mit der Einreise nach Labrador müssen wir die 90 Minuten, um die wir die Uhren gestern zurückgestellt haben, wieder vorstellen. Was solls, wir haben ja Zeit. Dafür gibt es dann schon bald wieder Mittagessen.

Am Point Amour Lighthouse machen wir einen ersten Halt. Dabei handelt es sich um den mit 33 Metern höchsten Leuchtturm Atlantik-Kanadas. Eine kleine Ausstellung dokumentiert das Leben der Bewohner an der rauen Küste und der Seefahrer in den gefährlichen Gewässern. In der Meerenge zwischen Neufundland und Labrador liegen nämlich zahlreiche Schiffswracks auf dem Meeresgrund. Nahe der Zufahrtsstrasse zum Leuchtturm wurde die 7000 Jahre alte Grabstätte eines 12-jährigen Jungen gefunden. Eine Schautafel informiert über die Fundstätte, die nicht öffentlich zugänglich ist.

Am Nachmittag verschlechtert sich das Wetter und es regnet immer mal wieder. Fast ohne Verkehr geht es auf der, erst vor wenigen Jahren asphaltierten, gut ausgebauten Strasse voran. Endlose Wälder erstrecken sich über die hügelige Landschaft, die von zahlrechen Flüssen durchzogen wird und unzählige Seen und Teiche bilden sich in den Senken.

In Mary’s Harbour, einem kleinen Ort an der Küste, fahren wir von der Hauptstrasse, auf der Suche nach einer Tankstelle. Wir fragen eine Passantin: Tankstelle? Nicht hier im Dorf, nur 50 Kilometer weiter, in Port Hope Simpson, da gibt es dann gleich zwei.

Soweit fahren wir heute aber nicht mehr, sondern übernachten auf einem Rastplatz auf Wood Island im St. Lewis Inlet (Meeresarm).

Am nächsten Morgen ist das Wetter wesentlich besser. Wir nutzen deshalb die Gelegenheit um ein letztes Mal nach Eisbergen Ausschau zu halten. Am anderen Ufer des St. Lewis Inlet zweigt die Strasse nach St. Lewis ab. Nach 30 Kilometern auf Naturstrasse erreichen wir den kleinen Ort, wo wir dann tatsächlich noch drei grosse Eisberge zu Gesicht bekommen.

Jetzt führt die Strasse, weg vom Meer, ins Landesinnere. Nur wenige Autos begegnen uns. Der Tempomat ist auf 80 Km/h eingestellt und so geht es gemütlich durch das endlose Labrador. Mit 294'330 Quadratkilometern ist es etwa so gross wie Italien, hat aber nur 27'200 Einwohner (Stand 2016). Etwa die Hälfte davon lebt in den zwei grössten Städten Labrador City und Happy Valley Goose Bay.

Unsere entspannte Fahrt wird jäh unterbrochen durch einen Schwarzbären, den wir am Strassenrand entdecken. Bis wir abgebremst und etwas zurückgefahren sind, verschwindet er allerdings schon wieder im Wald. Für ein Foto reicht es leider nicht.

In Happy Valley Goose Bay übernachten wir auf einem ruhigen Wanderparkplatz am Churchill River, der hier eine beachtliche Breite erreicht, bevor er sich in den Hamilton Inlet ergiesst. Zuerst müssen wir aber noch durch den Feierabendstau in der etwa 9000 Einwohner zählenden Stadt. Der schöne und ruhige Platz ist von mehreren Campern und Trailern recht gut belegt. Danach müssen wir die Uhren 30 Minuten zurückstellen, wir befinden uns nämlich schon wieder in einer anderen Zeitzone. Zum Glück merken das unsere Smartphones von alleine und so müssen wir nur die Armbanduhren anpassen. Nun sind wir bereit um das schöne Wetter für einen Spaziergang auf einem Plankensteg, der dem Flussufer entlang und durch ein Sumpfgebiet führt, zu nutzen.

Am nächsten Morgen machen wir einen Abstecher nach North West River um das Labrador Interpretation Centre zu besuchen. In dem kleinen Museum gibt es eine schöne Ausstellung zu den verschiedenen Ureinwohnern Labradors und deren Lebensweise. Der Besuch ist kostenlos und die freiwilligen Mitarbeiter stehen für Fragen und Erklärungen bereitwillig zur Verfügung. Die Ausstellung ist absolut zu empfehlen und rechtfertigt den Umweg von 80 Kilometern.

Unser nächstes Ziel ist Churchill Falls. Der Ort ist geprägt vom Kraftwerk, welches das Wasser des riesigen Smallwood Reservoires nutzt. Die Fläche des Stausees beträgt 6286 Quadratkilometer und das Einzugsgebiet des gespeicherten Wassers 69'000 Quadratkilometer. Es wurden 88 Dämme und Deiche mit einer Gesamtlänge von 64 Kilometern errichtet.

Der Ort wirkt steril und eintönig. Im Labrador Interpretation Centre wurde uns gesagt, wer In Churchill Falls lebt arbeitet entweder für oder vom Kraftwerk. Eigentlich wollen wir auf dem Parkplatz des kleinen Shopping-Centers übernachten. Im einzigen Restaurant, wird uns aber ein Platz unten am Churchill River empfohlen. Dank der Wegbeschreibung erreichen wir die Stelle über eine steile Naturstrasse. Hier gibt es einen kleinen Park mit Pavillon und Bänken, sowie eine Einwasserungsstelle für Boote. Eine ganze Reihe von Pickups steht auf dem Parkplatz. Die Besitzer sind am Ufer oder auf Booten am Angeln und geniessen den Feierabend. Nach dem Eindunkeln sind wir dann ganz alleine und verbringen hier eine ruhige Nacht. Wir müssen uns allerdings zuerst einer intensiven Mückenjagd widmen. Die Plagegeister haben uns als Lieferant für die nächste Mahlzeit ausgesucht. Wie üblich erwischen wir nicht alle Plagegeister und auch die kleinen Black Flies (Kriebelmücken) hinterlassen ihre Spuren an uns-

Wenige Kilometer nach Churchill Falls zwängt sich der Chruchill River durch eine enge Schlucht. Ein Fussweg führt entlang der Schlucht bis zu einem Aussichtspunkt mit schönem Blick auf die Churchill Falls. Der Fluss führt im Moment nicht sehr viel Wasser, der Fall ist aber trotzdem beeindruckend. Auf dem Hinweg lernen wir ein Kanadisches Ehepaar kennen und berichten über unsere Reisepläne. Dafür bekommen wir jede Menge Tipps für unsere künftige Route.

Das Wetter ist herrlich und so erreichen wir gut gelaunt die Hauptstadt Labrador City. Diese wurde 1961 gegründet und ist geprägt von der Eisenerzgewinnung. Hier tanken wir voll und kaufen noch mehr Insektenschutz. Im nahen Fermont übernachten wir auf einem kostenlosen Stellplatz.

Wir verlassen jetzt Labrador und erreichen die Provinz Quebec. Daher heisst es auch nicht mehr Trans-Labrador Highway, sondern Route Trans-Quebec-Labrador. Und auch die Uhren werden jetzt eine Stunde zurückgestellt. Die Strasse führt durch ein weitläufiges Tagebaugebiet, wo ganze Hügel abgetragen werden um Erze zu gewinnen. Der Abraum wird zu gewaltigen Halden aufgeschichtet. Einer der riesigen Muldenkipper ist in Fermont ausgestellt. Wir haben den Eindruck, dass hier ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt Raubbau betrieben wird.

Mit der asphaltierten Strasse ist jetzt für etwa 90 Kilometer erst einmal vorbei. Auf einer schlecht in Stand gehaltenen Naturstrasse mit heftigen Querrillen geht es jetzt wesentlich langsamer vorwärts. Immer wieder machen wir in rasantem Tempo daher brausenden Lastwagen, die vermutlich für die Minen fahren, Platz. Für Lastwagen gelten die gleichen Tempolimits wie für Personenwagen. Gefahren wird allerding eher schneller. Wir kreuzen immer wieder die Eisenbahnlinie, die vom Hafen von Port Cartier am Golf von St. Lorenz, bis zu den Minen im Norden führt. Ein enorm langer Güterzug lässt uns an einem Übergang eine ganze Weile warten.

Endlich wieder Asphalt, zumindest für ein paar Kilometer. Wir erreichen jetzt das Reservoir Manicouagan, ein fast kreisrunder Stausee in einem Asteroidenkrater von 75 Kilometern Durchmesser. Dieser entstand vor 214 Millionen Jahren durch den Einschlag eines 5 Kilometer grossen Asteroiden.

Langsam wird es Zeit, sich nach einem Übernachtungsplatz umzusehen. Wir wählen aus der App «IOverlander» einen Stellplatz etwas abseits der Strasse. Der Ort ist wirklich schön gelegen und es stehen auch schon einige Trailer dort. Es stellt sich dann aber heraus, dass es sich um Angehörige der First Nation handelt und dass das Gebiet zu einem Reservat gehört. Wir werden höflich auf diesen Umstand aufmerksam gemacht und kehren deshalb zurück zur Hauptstrasse um uns einen anderen Platz zu suchen. Wir werden in «IOverlander» einen entsprechenden Kommentar verfassen, dass dieser Stellplatz, aus Respekt vor den Ureinwohnern, in Zukunft gemieden wird.

Es liegen jetzt nochmals 80 Kilometer schlechte Naturstrasse vor uns bis zum Wasserkraftwerk Manic-5, welches das aufgestaute Wasser des Manicouagan Stausees nutzt. Hier finden wir schliesslich auf einem grossen Kiesplatz nahe der Staumauer einen Schlafplatz.

Bevor wir unsere Fahrt am nächsten Morgen fortsetzen, statten wir dem Museum des Kraftwerkes einen Besuch ab. Dort erfahren wir, dass die, Anfang der 1960er Jahre begonnene und 1970 – 1972 in Betrieb genommene, Anlage 2660 Megawatt Strom produziert und damit 532'000 Haushalte mit Energie versorgt.

Schon seit wir Labrador bei Fermont verlassen haben, hat der Verkehr, insbesondere von Lastwagen, stark zugenommen. Zudem gehören hohe Stromleitungen entlang der Strasse zum Landschaftsbild. Somit lässt auch das Gefühl von Einsamkeit und Unberührtheit, welches die ersten Tage in Labrador noch geprägt hat, nach.

In der hügeligen Landschaft geht es auf einer gut ausgebauten Strasse jetzt in stetem Auf und Ab Baie-Comeau am St. Lorenz Strom entgegen. Dort richten wir uns auf dem grossen Parkplatz beim Sportzentrum für die Nacht ein. Hier beginnt auch ein ausgedehntes, mit Spazierwegen durchzogenes Waldgebiet, welches von Spaziergängern, Hundehaltern und Biker genutzt wird. Auch wir unternehmen einen ausgedehnten Spaziergang hinunter an den Fluss, der dann, wenige Kilometer von hier, in den Golf von St. Lorenz und den Nordatlantik mündet.

Auf der Küstenstrasse geht es jetzt zügig entlang dem St. Lorenzstrom Québec entgegen. Beim Saguenay Fjord nehmen wir dann aber nicht den direkten Weg mit der Fähre über den schmalen und etwa 100 Kilometer langen Fjord, sondern folgen diesem bis ans Ende zum Städtchen Saguenay. Unterwegs machen wir Halt im Parc National du Saguana, fahren an die Mündung des Rivière Sainte Marguerite und machen einen Spaziergang zur Anlegestelle des Ausflugsbootes Beluga, das auf dem Fjord verkehrt. In der Bucht Sainte Marguerite können während den Sommermonaten Belugawale beobachtet werden, die im Mündungsgebiet des Flusses nach Fischen jagen. Lange Zeit waren die kleinen Wale hier im Fjord Opfer intensiver Jagd.

In Saguenay richten wir uns auf einem grossen Parkplatz am Rande des Zentrums für die Nacht ein. Nach unserer Rückkehr von einem kurzen Stadtspaziergang werden wir allerdings von einem Club in der Nähe mit intensiven Bässen beschallt. Wir verlegen unseren Schlafplatz daher auf den Parkplatz an der Uferpromenade. Trotzdem brauchen wir unsere Ohrstöpsel, denn bis morgens um vier dauert die Party und hält vermutlich die ganze Innenstadt wach.

Am folgenden Nachmittag erreichen wir den Camping de la Joie am Rande von Québec, wo wir für die nächsten drei Nächte einen Stellplatz reserviert haben. Der Platz liegt in einem Waldstück, wo sich auch heisse Sommertage, im Schatten der Bäume, gut ertragen lassen.

Für den nächsten Tag reservieren wir schon den Shuttle ins Zentrum. So erreichen wir das Zentrum der Hauptstadt und Namensgeberin der Provinz. Québec gilt als eine der schönsten Städte auf dem Kontinent und besitzt als einzige Metropole nördlich von Mexico über eine noch vollständig erhaltene Stadtmauer. Québec ist das Zentrum der französischen Kultur in Nordamerika und hat eine über 400 jährige Geschichte.

Das Vieux-Québec besteht aus der Oberstadt, der Haute-Ville, und der Unterstadt, der Basse-Ville, deren historische Steinhäuser sich auf einem schmalen Uferstreifen zusammendrängen. Wir werden von unserem Fahrer beim Château Frontenac abgeladen. Was wie ein veritables Schloss aussieht ist in Tat und Wahrheit ein Luxushotel. Das Gebäude wurde von 1892 bis 1893 als Eisenbahnhotel für die Canadian Pacific Railway erbaut und wird heute durch die Hotelkette Fairmont Hotels and Resorts betrieben und umfasst 610 Gästezimmer.

Von der Dufferin-Terrasse, hoch über dem St. Lorenzstrom geniessen wir die Aussicht auf den breiten Fluss und die historische Unterstadt. Hier werden wir von Mitarbeitern von «Parks Canada» auf ein Museum angesprochen, das sich unter der Terrasse befindet. Denn dort, wo heute die Touristen promenieren, befand sich ursprünglich der Gouverneurspalast Château St. Louis, der am 23. Juni 1834 bei einem Brand vollständig zerstört wurde. Die alten Mauern wurden von 2005 – 2007 wieder freigelegt und können unter der Terrasse besichtig werden.

Weiter geht es hinauf zur Zitadelle. Das Fort wird heute noch vom Königlichen 22. Regiment als Kaserne genutzt und kann deshalb nur im Rahmen einer Führung besucht werden. Auf dem Areal befindet sich auch der Nebensitz des Generalgouverneurs von Kanada. Die Festung wurde zwischen 1820 und 1832 nach dem Britisch-Amerikanischen Krieg erbaut um die US-Amerikaner am Überqueren des St. Lorenzstromes zu hindern und Kanada zu erreichen. Das Fort wurde allerdings nie angegriffen. Während der Führung erfahren wir viel über die Einsätze des 22. Regimentes vom 1. Weltkrieg bis zum Krieg von Afghanistan. Punkt 12 Uhr wird auch hier, wie in Halifax, eine Kanone abgefeuert. Hier ist es aber ein modernes Geschütz mit bedeutend lauterem Knall, als die historische Kanone in Halifax.

Nächste Station ist das Parlamentsgebäude mit der schönen Fassade. Auf dem Kreisel davor steht ein Brunnen, welcher einem Brunnen der Partnerstadt Bordeaux nachempfunden ist.

Den Rest des Nachmittags spazieren wir durch die Strassen der Oberstadt mit dem französischen Flair und gehen hinunter in die Unterstadt. Hier drängen sich noch mehr Touristen in den engen Gassen, als in der Haute-Ville.

Für 18.30 Uhr haben wir den Shuttle zurück zum Campingplatz gebucht, wo wir den Abend unter den kühlen Bäumen verbringen.

Am nächsten Tag ist es so richtig heiss, weit über 30° und so sind wir froh, dass wir einen Ruhetag eingeplant haben und einfach mal nichts tun.